Der 1974 geborene Schweizer Journalist, Publizist und Philosoph René Scheu befasst sich mit dem «psychopolitischen Gesetz von der zunehmenden Grenz-Unzufriedenheit». Demgemäss seien moderne und wohlhabende Grossgesellschaften merkwürdige Gebilde. Die Mitglieder solcher Grossgesellschaften litten mehr an ihren Verhältnissen, als dass sie sich daran erfreuten. Und je grösser der objektive Wohlstand, desto grösser sei das subjektive Unwohlsein, was zu verzerrten Wahrnehmungen führe. Mithilfe von Zerrbildern und tendenziöser Kommunikation würden ständig neue Mangeloptiken entwickelt, um vorhandene Substanz in Unterversorgung umzudeuten.
Das weist für mich Parallelen zum Wohnungsmarkt auf. Unter reisserischen Titeln wie «Wohnungsnot», «Mieter-Abzocke», «Der perfide Plan der Immo-Lobby» oder auch «Es bauen die Falschen aus den falschen Gründen für die falschen Leute» werden uns tendenziöse «Wohn-Schauergeschichten» um die Augen und Ohren geschlagen. Die Problemverursacher sind klar: Es sind ausnahmslos die Eigentümer von Wohngebäuden, so auch die Privaten.
Boden gehört nicht in private Hände, der Staat sollte sämtliche Grundstücke aufkaufen.
Der Schweizer Wohnungsmarkt zeigt andere Tatsachen. Die Durchschnittsmiete in der Schweiz über neue und alte Wohnungen hinweg beträgt gemäss Bundesamt für Statistik 1412 Franken. Die Ausgaben für die Wohnungsmiete – gemessen am Total der Haushaltsausgaben – stiegen zwischen 1982 und 2023 um rund 1,5 Prozentpunkte. Vor vier Jahrzehnten lag die Wohnungs-Leerstandsquote bei 0,67 %, aktuell liegt sie bei 1,15 %. 1982 ist von Wohnungsnot aber nichts zu lesen. Zum gleichen Zeitpunkt betrug die Inflation rund 3 %, heute liegt sie bei etwa der Hälfte – dafür ist der Lärm dazu doppelt so laut.
In den letzten 40 Jahren massiv zugenommen hat die ständige Wohnbevölkerung: von 6,43 Millionen auf 9 Millionen. Weil gleichzeitig immer weniger gebaut werden kann, öffnet sich die Schere zwischen Nachfrage und Angebot. Auch die Eigentumsquote sinkt. Weil eine Abnahme der Bevölkerung als wenig realistisch erscheint, gibt es nur eines: Wir müssen wieder mehr Wohnraum schaffen. Dass die linken Genossen das anders sehen, ist klar. In ihrem «Rezeptbüchlein» steht noch immer die allumfassende Verstaatlichung des Wohnungsmarktes. Als Beweis hierfür war in diesen Tagen auf einem Podium der Satz zu hören: «Boden gehört nicht in private Hände, der Staat sollte sämtliche Grundstücke aufkaufen.»
Markus Meier, Direktor HEV Schweiz